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Erdbeben in Kahramanmaraş: Meine Erfahrungen als Freiwilliger

  • Autorenbild: ibrahim Onur Kök
    ibrahim Onur Kök
  • 28. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Mai


Am 6. Februar 2023 erschütterte ein schweres Erdbeben die Region um Kahramanmaraş.Als Techniker und Beamter aus Çanakkale wurden wir - Ingenieure, Architekten und Techniker - freiwillig in die betroffenen Gebiete entsandt, um Gebäudeschäden zu bewerten.

Ungefähr 15 bis 20 Tage nach dem Erdbeben erhielten wir endlich den offiziellen Einsatzbefehl nach Antakya.Vier Kollegen aus meiner Behörde fuhren gemeinsam in einem Fahrzeug, voll beladen mit Lebensmitteln und Kleidung, die wir aus eigenen Mitteln organisiert hatten.Wir waren eine Gruppe von insgesamt 20 Personen aus Çanakkale, Lapseki und Kepez.


Der erste Schock: Ankunft in İskenderun

Nach einer langen Reise von über 1.200 Kilometern erreichten wir İskenderun, etwa 100 Kilometer nördlich von Hatay. Der Anblick war schockierend:Nur die Straßenlaternen brannten, und fast alle Gebäude entlang der Mittelmeerküste waren eingestürzt – außer den Gebäuden an den Hängen.

Wir fuhren weiter durch zerstörte Dörfer und Städte.Überall das gleiche Bild: keine einzige intakte Struktur, überall Dunkelheit und Trümmer.Schließlich erreichten wir Antakya.


Unser Quartier: Ein beschädigtes Studentenwohnheim

Unsere Unterkunft war ein großes, zwölfstöckiges Studentenwohnheim auf dem Campus der Mustafa Kemal Universität man hatte uns ein Zimmer im sechsten Stock zugewiesen. Noch immer standen persönliche Gegenstände der Studentinnen im Raum – sie waren in Eile abgereist. Die Wände zeigten mittlere Risse, Teile des Putzes waren heruntergefallen.

Trotz der Umstände schliefen wir in der ersten Nacht – wohl aus reiner Erschöpfung – erstaunlich gut.


Hier ist das Studentenwohnheim
Hier ist das Studentenwohnheim


Einsatz als mobiles Team

Am nächsten Tag erhielten wir Tablets, Helme, Warnwesten und Ausweise.Unsere Aufgabe: Schadensbewertungen vor Ort durchführen.Wir arbeiteten in Zweierteams, erhielten täglich Adressen und wurden direkt von der Koordinationsstelle betreut.

Zunächst fuhren wir zu weniger betroffenen Außenbezirken von Antakya.Wir spürten keine Nachbeben, aßen gemeinsam zu Abend und schliefen sogar in Betten.


Das Nachbeben: Ein Moment, den ich nie vergesse

Am Abend des zweiten Tages – gegen 20 Uhr – saß ich entspannt auf dem Bett.Ein Kollege bereitete gerade Tee zu.Plötzlich spürte ich zwei starke Stöße, gefolgt von heftigen Schüttelbewegungen, als wäre ich in einer riesigen Waschmaschine.Der Strom fiel sofort aus.

Wir warfen uns auf den Boden zwischen die Betten.Während das Gebäude erbebte, beobachtete ich, wie die Wände sich bogen, die Pfeiler und Träger sich dehnten und zusammenzogen.Alles, was ich jemals über Scher- und Seitenkräfte im Bauwesen gelernt hatte, sah ich jetzt live vor meinen Augen.

Ein Lichtblitz draußen – zuerst gelb, dann zweimal blau – begleitete das Beben.Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte sich die Erde.


Evakuierung und Leben im Zeltlager

Wir packten in Eile ein paar Sachen und flüchteten barfuß die Treppen hinunter ins Freie.Das riesige Wohnheim schwankte immer noch.

In dieser Nacht kehrten wir nur noch einmal kurz zurück, um unsere Habseligkeiten zu holen.Die folgenden 19 Tage verbrachten wir auf dem Fußballplatz im Zeltlager mitten im Stadion.




Universitätsstadion Antakya – Zeltlager
Universitätsstadion Antakya – Zeltlager


Was wir dort erlebten, war unbeschreiblich:Beruflich gesehen war es ein Laboratorium – ein einmaliges Erlebnis, bei dem wir sahen, was alles beim Bauen schiefgehen kann.Für unser Land hätte es eine große Chance sein können, daraus zu lernen.Doch leider wurde diese Gelegenheit wieder einmal verpasst.


Meine persönliche Bilanz

Ich persönlich dokumentierte tausende Schadensfälle – mit eigenen Fotos und Notizen direkt auf dem Tablet.Vielleicht, dachte ich, wird mich eines Tages jemand danach fragen.

Aber zurück in meiner Behörde fragte mich niemand.Nicht einmal: „Wie war es?“




 
 
 

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